Unter Smarketing versteht man die Integration von Vertrieb (Sales) in das Marketing. Gähn. Das ist doch wirklich ein alter Hut. Oder vielmehr: ein alter Konflikt. Denn in vielen Unternehmen ist es ein lange gepflegtes Ritual, dass sich Vertrieb und Marketing bekämpfen und geringschätzen.
Den Kollegen im Marketing wird nachgesagt, dass sie den Vertrieb für dumm halten. Zumindest zu dumm, um die filigran ausgefeilten Marketingstrategien beim Kunden umzusetzen. Den Verkäufern wird unterstellt, dass sie nicht in der Lage sind, Themen „rüberzubringen“, nur zum Kaffeetrinken zum Kunden fahren und faul auf Anfragen und Leads warten, die so gut qualifiziert sein sollen, dass der Kunde förmlich darum bettelt, einen Auftrag abgeben zu dürfen.
Die Mitarbeiter im Sales wiederum halten die Kollegen im Marketing für abgedrehte Spinner, die noch nie einen lebenden Kunden gesehen haben. Sie lassen sich am laufenden Band völlig weltfremde Kampagnen und Aktionen einfallen, die in der Praxis nicht funktionieren. Sie spannen den Sales in kränkelnde Kampagnen ein und beschweren sich dann, statt das zu liefern, wofür sie da sind: qualitativ hochwertige Leads.
Smarketing als Friedensvertrag zwischen Vertrieb und Marketing
Vielleicht ist es an der Zeit, diese Fehde mit einem Smarketing-Friedensvertrag zu beenden. Ein Vertrag ist das, was man braucht, um sich zu vertragen. Er regelt, was wer von wem zu erwarten hat. Welche Leistung erbringt das Marketing für den Vertrieb und welche der Vertrieb für das Marketing. So kommt es nie wieder zu: „Ich hatte mir erwartet, dass …“-Sätzen, weil alles vorher klar geregelt ist.
Früher waren die Verantwortungbereiche von Vertrieb und Marketing klar geregelt. Marketing ist verantwortlich, solange die Kunden bzw. Interessenten sich in der Menge verstecken. Marketing kümmert sich um alle Kommunikationsprozesse, bei welchen eine 1:n-Beziehung besteht: Einer sendet, viele empfangen. Im Vertrieb geht es um 1:1-Beziehungen. Echte Dialoge, persönlich oder telefonisch geführt. Synchrone Kommunikation zwischen Menschen, die gleichzeitig im Raum sind oder zumindest am Telefon verbunden.
Das lässt sich heute und in Zukunft nicht mehr auf diese Weise abgrenzen. Moderne Technik ermöglicht es, im Marketing bis zu einer 1:1-Beziehung bei der Kommunikation zu gelangen. Und im Vertrieb ist es inzwischen ebenfalls normal, über LinkedIn, XING und Facebook die Kommunikation von einem Verkaufsmitarbeiter zu seinen Kontakten in einer 1:n Beziehung zu führen. Die alte Art der Aufgabenteilung funktioniert also nicht mehr.
Smarketing verbindet Vertrieb und Marketing
Vielleicht brauchen wir eine neue Definition der Aufgabenteilung. Das Marketing könnte sich darum kümmern, die Attraktivität des Unternehmens so zu erhöhen, dass aktuell Interessierte einen Dialog starten. Und die Sales-Abteilung kann die Individuen sinnvoll filtern und die vielversprechendsten Kontakte individuell ansprechen.
Bildhaft gesprochen könnte man Smarketing so darstellen:
Marketing soll die Schafherde wachsen lassen.
Sales ist verantwortlich für die Wolle.
Die einen vergrößern die Gefolgschaft und die anderen monetisieren das Interesse. Die einen säen und ernten und die anderen trennen die Spreu vom Weizen. Die einen setzen die Maische an und die anderen brennen daraus einen guten Tropfen. Der eine schaufelt den Flusssand in das Sieb und der andere wäscht die Nuggets heraus.
Welches Bild Ihnen auch am besten gefallen mag: Wichtig ist, dass das Marketing die Anziehungskraft immer weiter steigert und Sales die besten Perlen herausselektiert.
Smarketing schafft Anziehungskraft
Im Gegensatz dazu nur „verkaufen zu wollen“, ist das neue Marketing darauf ausgerichtet eine Beziehung zu den potenziellen oder bestehenden Kunden zu erzeugen. Diese Beziehung basiert auf kostenlos zur Verfügung gestellten Inhalten, die für die Zielgruppe einen Wert als Nachricht, Unterhaltung oder Information darstellen.
Unternehmen lassen sich auf die Interessen der potenziellen Kunden ein und bespielen Themengebiete nicht nur in Ausschnitten, sondern bedienen umfassend die Bedürfnisse – losgelöst vom eigenen Produktangebot und über die Kaufentscheidung hinaus. Wer künftig verkaufen will, muss den kompletten Horizont der Zielgruppe bedienen statt immer wieder die gleichen Vorzüge des eigenen Angebotes in die Medienwelt zu plärren.
Wer also Rosendünger verkaufen will, sollte nicht Inhalte über Rosendünger produzieren. Vielmehr lohnt es sich, die Interessen von Rosenzüchtern zu verstehen und deren Interessensgebiete abzudecken. So könnte wertvoller Inhalt sowohl lehrreich (Video zu optimalen Schnittechnik) und unterhaltsam sein (Fotos der schönsten Rosenzüchtungen) oder aber informieren (Frostwarnungen nach Region zur Vermeidung von Frostschäden).
So produziert Marketing online Inhalte, die für die potenziellen Kunden attraktiv sind. Dadurch angezogen, können diese Individuen zusätzliche, weiterführende Inhalte im Tausch gegen eine Kontaktadresse bekommen.
Die so gewonnenen Adressen bekommen eine vorher geplante Abfolge von wertvollen Inhalten. So entsteht nach einiger Zeit eine gewisse Bekanntheit, aus der sich Sympathie und schließlich eine Art Vertrauen entwickeln kann.
Aus dem Verhalten der Interessenten können die besonders Interessierten mehr oder weniger automatisch ermittelt und an den Vertrieb übergeben werden. Es besteht sogar die Möglichkeit, den Interessierten anzubieten, ein kostenloses Beratungsgespräch anzufordern. So bewerben sich quasi die besten Kontakte für ein Verkaufsgespräch. Besser können die Voraussetzungen für den effektiven Einsatz der Verkaufsmitarbeiter nicht sein.
Smarketing über IP-Tracking findet auch die zurückhaltenden Besucher
Die meisten Besucher werden die Inhalte konsumieren, ohne eine Spur zu hinterlassen. Jedoch können auch aus diesen stillen Betrachtern potenzielle Kunden ermittelt werden.
Jedes Gerät, das im Internet mit anderen Geräten kommuniziert, hat immer eine eindeutige sogenannte IP-Adresse. Wer eine Webseite besucht, hinterlässt die IP-Adresse seines Internetanschlusses auf dieser Webseite. So werden zwar nicht die individuellen Geräte der einzelnen Personen transparent, aber der letzte Übergangspunkt in das Internet.
Für die meisten Privatpersonen, die einen DSL-Anschluss oder ein Mobilgerät nutzen bedeutet das nicht viel, weil diese einen Anschluss von beispielsweise Telekom oder Vodafone nutzen. Der Betreiber der Webseite bekommt also nur die Information, dass irgendjemand, der den entsprechenden Betreiber nutzt auf seiner Webseite war.
Anders bei Firmen, die einen eigenen Internetzugang haben. Hier wird über deren registrierte IP-Adresse deutlich, welches Unternehmen auf der jeweiligen Webseite war. Die Person selbst bleibt verborgen, aber das Unternehmen wird sichtbar.
Diesen Sachverhalt machen sich verschiedene Anbieter zunutze und bieten als Dienstleistung an, diese Unternehmen aus einer Datenbank zu ermitteln, relevante Unternehmensdaten zuzuordnen und diese zu präsentieren. Einige dieser Anbieter heißen Leadboxer, Leadfeeder, Salesviewer, WiredMinds oder LeadingReports.
Wenn Sie Smarketing umsetzen, können Sie die Dienste eines dieser Anbieter nutzen und sehen, welche Unternehmen wann, wie oft und wie lange einzelne Seiten Ihrer Webseite besucht haben. Aus diesen Informationen lässt sich auch ableiten, ob diese Unternehmen über einen Link einer anderen Seite oder eine Suchmaschine auf Ihre Seite kamen. Besonders interessierte Besucher lassen auch den Rückschluss zu, dass in diesem Unternehmen im Moment ein bestimmter Bedarf herrscht, den Sie durch Ihr Angebot befriedigen könnten.
Wenn Sie in die technischen Möglichkeiten und clevere Ideen zur Gestaltung von nachfolgenden Vertriebsprozessen tiefer einsteigen wollen, hilft Ihnen dieser Artikel.
Smarketing bedeutet auch, smart zu sein
Sicherlich wäre es mehr als verstörend, wenn Mitarbeiter aus dem Vertrieb bei den besuchenden Unternehmen anrufen, einen Ansprechpartner ermitteln und dann verkünden, dass „dieser sich ja für die Webseite interessiert habe“. Niemand, der so angesprochen wurde, dürfte begeistert sein.
Allerdings ist es ja nicht verboten, clevere Akquise auf diejenigen Kunden zu beschränken, die sich offenbar gerade mit einem Thema beschäftigen, das Ihr Unternehmen bearbeiten kann. Die Wahrscheinlichkeit, in dieser eingeschränkten Zielgruppe erfolgreich zu sein ist wesentlich höher, als bei einer herkömmlichen Selektion von Akquisezielen.
Vereinen Sie die Kräfte von Marketing und Sales. Sorgen Sie dafür, dass einerseits die Gefolgschaft immer weiter wächst und andererseits die Selektion der interessantesten Kontakte immer besser wird. Dann wird Smarketing zum Erfolgskonzept.
Fotoquelle Titelbild: © Michael R Ross / Shutterstock