Viele von uns haben bereits bei einer Online-Umfrage mitgemacht. Die Erfahrungen mit solchen Umfragen sind – zumindest bei mir – ganz unterschiedlich. Inzwischen bilde ich mir ein zu spüren, ob sich die Online-Umfrage wirklich für meine Perspektive interessiert oder nur ein akademisches Schema abarbeitet. Ersteres ist darauf ausgerichtet, ein gutes Kundenverständnis zu bekommen und letzteres will vor allem die statistische Auswertbarkeit vereinfachen.

„Wer Umfragen durchführt, bekommt nur die Meinung derer, die bei Umfragen mitmachen.“

So lautet die sarkastische Aussage, die ich neulich von einem Kollegen hörte. Das gilt sicher für ausführliche Umfragen, die fünfzehn Minuten oder noch mehr Zeit beanspruchen. Wer will schon so viel Zeit investieren, ohne etwas dafür zu bekommen?

Für uns Marketer ist es wichtig, Umfragen durchzuführen, denn sie sind ein wichtiger Bestandteil des Marketings. Allerdings sprechen wir hier nicht von langweiligen, wissenschaftlichen Studien – derart gestaltete Umfragen sind eher kontraproduktiv im Marketing. Sehen wir uns deshalb mal genauer an, worauf es bei einer nützlichen, kurzen Online-Umfrage zu Marketingzwecken ankommt.

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Wissen, was der Kunde wirklich will

Davon träumen alle, die mit Kunden zu tun haben: Man wünscht sich, den Gedankengang der potenziellen Käufer zu verstehen und ihre Bedürfnisse zu kennen – vielleicht sogar, bevor sie selbst wissen, was sie wollen. In dieser idealen Ausprägung wird das vermutlich für immer ein Traum bleiben. Wenn wir es geschickt anstellen, können wir aber die Interessen und sogar Kaufabsichten potenzieller Kunden ermitteln und für die zukünftige Kommunikation berücksichtigen.

Welche Probleme hat die Zielgruppe?

Vieles im Marketing ist darauf ausgerichtet, der Zielperson eine sinnvolle Lösung für ein wichtiges Problem in Aussicht zu stellen. Man will den potenziellen Kunden zeigen, dass man ihre Probleme lösen kann.

Der logische erste Schritt ist demnach, das jeweilige Problem der Zielperson möglichst genau zu kennen. Anders als in typischen Vertriebssituationen ist es im Online-Marketing jedoch zumeist nicht möglich, in einen echten, persönlichen Dialog zu treten. Die Kommunikation im Marketing ist fast immer eine 1:n oder n:1 Situation: Einer spricht zu vielen oder viele sprechen zu einem.

Die Online-Umfrage bietet eine echte Chance für den Zugang zum wahren Kundenverständnis. Vor allem dann, wenn wir elektronische Hilfsmittel einsetzen, können wir bei geringen Kosten eine direkte Verbindung mit dem Kunden herstellen und genau verstehen, was ihn bewegt oder beschäftigt.

Multiple-Choice oder freie Abfrage?

Wir wissen längst aus der Kommunikationsforschung, dass offene Fragen am besten geeignet sind, um inhaltliche Ergebnisse zu erhalten. Geschlossene Fragen sind besser geeignet, um eine Entscheidung zu bewirken. Außerdem stehen geschlossene Fragen auch immer im Verdacht, eine Unterstellung zu sein. Die Frage „Haben Sie auch Schwierigkeiten mit Fußpilz?“ mag rein analytisch gemeint sein, doch schwingt bei dieser Formulierung auch immer eine Unterstellung mit, die der Fragende vielleicht gar nicht implizieren wollte.

Menschen reagieren oft irrational auf geschlossene Fragen, wenn sie auch nur im Geringsten als Angriff verstanden werden können. Wenn wir Umfragen entwerfen, müssen wir diesen Umstand berücksichtigen.

Aber auch offene Fragestellungen haben ihre Tücken: Viele Menschen reagieren auf unpersönlich gestellte, offene Fragen eher ausweichend. Wenn Sie in einer Online-Umfrage eine einfache Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten versehen, wird diese viel eher als eine offene Frage beantwortet werden.

Ein Beispiel aus unserer Praxis: Die Frage „Was fällt Ihnen spontan zu dem Begriff ‚Content Marketing‘ ein?“ wurde mit einer Quote von 90% und mehr beantwortet, wenn fünf Auswahlmöglichkeiten vorgeben waren. Wenn aber nur ein freies Feld angeboten wurde, in das die Befragten selbst eine Antwort schreiben sollten, antworteten nur 15% der Teilnehmer. Trotzdem waren diese Antworten sehr hilfreich, denn sie beinhalteten zum Teil neue, bislang nicht berücksichtigte Ideen. Es gilt also, die Balance zwischen beiden Fragetypen zu halten, weswegen Sie für jedes Thema abwägen sollten, welche Methode sinnvoller ist.

Technische Finessen der Online-Tools

Wenn Sie eine Umfrage mit einem Online-Tool wie zum Beispiel „surveymonkey“ entwerfen, können Sie auch die Umfrageergebnisse von abgebrochenen Umfragen erfassen. Sie sollten also regelmäßig die Performance einer Online-Umfrage analysieren, um Optimierungen vornehmen zu können. Eine sinnvolle Strategie ist es, zuerst diejenigen Fragen zu stellen, die am häufigsten beantwortet werden. Offene Fragen werden nach unserer Erfahrung verhältnismäßig oft übersprungen, sodass sie eher am Ende stehen sollten.

Vielleicht kennen Sie die Funktion vieler Umfrage-Werkzeuge, die Antwort auf bestimmte Fragen einzufordern, um die Umfrage abzuschließen. Ich rate allerdings dringend dazu, diese Funktion nur sehr spärlich einzusetzen. Der Zwang, Fragen beantworten zu müssen, die aus Sicht des Befragten kaum relevant sind oder in der gestellten Form nicht sinnvoll erscheinen, kann den Erfolg Ihrer Umfrage stark einschränken.

Der richtige Aufbau der Online-Umfrage

Als gute Praxis hat sich der folgende Aufbau von Online-Umfragen herausgestellt:

1. Der Einstieg

Eine einfache Multiple-Choice-Frage (ohne Zwang), die eine wesentliche demografische Einordnung des Befragten erleichtert. Das kann beispielsweise eine Frage zur Branche, zur Betriebsgröße, zum Alter oder Bildungshintergrund des Befragten sein. Gestatten Sie, dass diese Frage auch ohne Antwort übersprungen werden kann, um die Gefahr eines Abbruchs bei der ersten Frage zu verringern.

2. Das Kernthema

Eine weitere Multiple-Choice-Frage zum wichtigsten Thema der Erhebung sollte gleich als nächstes folgen. Das kann eine simple Frage mit mehreren Antwortmöglichkeiten sein. Oder es könnte eine Bewertungsabfrage sein, die mehrere Fragen stellt und jede einzelne davon mit einer Skala von „wichtig“ bis „unwichtig“ versieht. Wichtig ist, dass diese erste inhaltliche Frage einfach zu beantworten ist.

3. Weiterführende Fragen

Nun bietet es sich an, im Sinne von „Was ist Ihre wichtigste Frage zum Thema XYZ?“ mit einer offenen Frage zu ermitteln, was dem Befragten wichtig ist, ohne eine Antwortmöglichkeit vorzugeben. Die Formulierung können Sie selbstverständlich anpassen:

  • „Wenn es nur eine wichtige Frage in dem Zusammenhang gäbe – wie würde diese lauten?“
  • „Wenn Sie jetzt an Thema XYZ denken – welche Frage beschäftigt Sie besonders?“
  • „Angenommen, XYZ wäre das Thema der Stunde, was wäre dann die wichtigste Frage in dem Zusammenhang?“

Bitte seien Sie darauf vorbereitet, dass solche Fragen seltener beantwortet werden. Auf den ersten Blick mag es sinnvoller erscheinen, diese Frage vor eine Multiple-Choice-Frage zu stellen, um den Befragten nicht zu beeinflussen. Das mag richtig sein, wenn die Befragung von einem Menschen durchgeführt wird. Dann ist es für den Befragten eine größere Hürde, an dieser Stelle abzubrechen, weil er nicht schon zu Beginn den Fragesteller brüskieren will. Wenn es eine Online-Befragung ist, kann der Befragte ganz ohne Reue die Befragung abbrechen. Daher sollten die Fragen so aneinandergereiht werden, dass die schwierigen Fragen hinten stehen.

4. Persönliche Daten

Als letztes können Sie persönliche Daten abfragen. Daten, die es dem Teilnehmer der Befragung ermöglichen, später die Ergebnisse der Online-Umfrage als Zusammenfassung zu bekommen. Die Erfahrung zeigt, dass die wenigsten Befragten sich aus dem Schutz der Anonymität herauswagen wollen und an dieser Stelle abbrechen, ohne eine Eingabe zu machen. Daher wäre es ein Fehler, wenn diese Frage zu Beginn stünde, weil dann viele Befragungsergebnisse nicht zustande kämen.

Dieses „Strickmuster“ ermöglicht es, die Ansichten Ihrer Zielgruppe kennenzulernen und gleichzeitig auf die immer weiter sinkende Verbindlichkeit bei Online-Kontakten Rücksicht zu nehmen. Man holt sich die Antworten, die man bekommen kann und lässt den Befragten ausweichen, wo er ausweichen will.

Wenn Sie die Methode der Online-Umfrage im Rahmen von automatisierten Nachrichten einsetzen, können Sie zudem lernen. Sie werden sehen, welche Frage bei welcher Zielgruppe zu welcher (Tages-)Zeit günstige oder ungünstige Umfrageergebnisse bietet. So bekommen Sie von Mal zu Mal ein besseres Verständnis, wie Ihre Zielgruppe befragt werden will.

Kurzabfrage

Während man sich für die oben beschriebenen Online-Umfragen etwas mehr Zeit nehmen sollte, kann die Kurzumfrage mit nur einem Klick abgeschlossen sein. Sie stellen eine einfache Frage und bekommen eine spontane Antwort. Hier einige Beispiele:

  • Was ist für Sie wichtiger: Markenimage oder Leads?
  • Welche Farbe im Rosengarten bevorzugen Sie?
    rot | gelb | pink | weiß | orange
  • Welche Disziplin im Vertrieb erscheint Ihnen am schwierigsten?
    Akquise | Angebotswesen | Preisverhandlung | Abschluss

Eine solch einfache Abfrage kann auch im Rahmen eines E-Mail-Versandes gestellt werden. So können Sie durch die Auswertung der Klicks die Akteure in Segmente einteilen und gemäß ihrem Interesse künftig noch spezieller mit Content versorgen.

Provokation

Eine besondere Form der Kurzumfrage könnte die Wirksamkeit Ihrer Autoresponder bzw. E-Mail-Ketten verstärken. Weil gerade zu Beginn einer E-Mail-Kette die Nachrichten in kurzer Abfolge kommen, kann man schon früh die echten Interessenten von den „Zaungästen“ trennen.

Es hat sich bewährt, in der zweiten oder dritten Nachricht einen Absatz nach diesem Muster einzufügen:

„In den kommenden Tagen wollen wir Sie ganz intensiv über das Thema XYZ informieren und Ihnen wertvolle Inhalte dazu anbieten. Das kann dem ein oder anderen schon mal zu viel werden. Daher fragen wir Sie zur Sicherheit noch einmal in aller Deutlichkeit: Sind Sie bereit, sich mit unserem Thema intensiv auseinanderzusetzen?“

Dann folgen zwei deutlich sichtbare, verschiedenfarbige Buttons zum Klicken. Einer mit der Aufschrift „Ich will die geballte Information“ und der andere mit dem Text „Ich habe mir es anders überlegt und will meine Ruhe“.

Diese kleine Abstimmung wird Ihnen einige wenige Abmeldungen bringen. Aber sie wird Ihnen schon früh die wirklich interessierten Kontakte aufzeigen, bei denen eine spätere Kundenbeziehung wesentlich wahrscheinlicher sein dürfte.

Fake-Sales

Bereits in dem Buch von Tim Ferriss, „Die 4-Stunden-Woche“, wurde folgende Idee vorgestellt: Dabei geht es darum, zu prüfen, ob ein Produkt oder Dienstleistungsangebot wirklich interessant für die Zielgruppe ist. Im Wesentlichen besteht die Idee darin, eine Art Verkaufsseite im Sinne eines digitalen Bestellblattes zu veröffentlichen und zu messen, wie viele der Besucher der Seite tatsächlich auf den Button „Jetzt bestellen“ klicken.

Durch den Klick wird allerdings keine Bestellung ausgelöst, sondern nur eine andere Seite aufgerufen, die dem Besucher mitteilt, dass das Produkt im Moment nicht auf Lager ist bzw. die Dienstleistung überbucht. Dann wird angeboten, seine E-Mail-Adresse zu hinterlassen um informiert zu werden, sobald die Verfügbarkeit hergestellt ist. So lässt sich der tatsächliche Bedarf sehr viel besser messen, als mit einer klassischen Umfrage oder Kundenbefragung.

Online-Umfragen als zusätzliches Instrument im Marketing

Durch die Möglichkeit, Umfragen online zu gestalten und automatisch auszuwerten, haben wir ein zusätzliches Werkzeug im Marketing gewonnen. Wir können es in der oben beschriebenen Weise nutzen oder noch weiter in unseren Marketingmaßnahmen integrieren.

Man kann beispielsweise einen Schritt weitergehen und Online-Umfragen dazu nutzen, Teilnehmer individuell auf für sie relevanten Content zu senden. Moderne Systeme zur Gestaltung von Umfragen, wie zum Beispiel surveymonkey, erlauben es, komplexe Umfragen zu entwerfen, die abhängig von der Beantwortung einzelner Fragen, den Teilnehmer zu unterschiedlichen Folgefragen lotsen. So können Sie die Online-Umfrage selbst nutzen, um die Einstellung oder den Wissensstand der Befragten zu ermitteln.

Beispielsweise könnte eine Online-Umfrage unter Rosenzüchtern dazu genutzt wird, um die Befragten nach Erfahrungsgrad von „Will damit beginnen“, „Anfänger“, „Fortgeschrittener“ und „erfahrener Profi“ einzuteilen und im Anschluss auf speziellen, für sie passenden Content verweisen. So können Sie Ihre Zielgruppe noch besser bedienen und zahlenmäßig besser einschätzen.

Wenn wir die Teilnahme an der Umfrage mit einem Content-Upgrade ausstatten, können wir mit Umfragen auch Adressen einsammeln. Der zusätzliche Content könnte die Auswertung der Umfrageergebnisse sein, sodass die Teilnehmer die Auswertung der Ergebnisse nach Abschluss der Umfrage bekommen können. Damit ist eine Online-Umfrage ein Content-Element mit der Möglichkeit, Adressen einzusammeln.

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