Na, haben Sie auch genug vom Einheitsbrei der vergangenen Jahre? Nichts Neues passiert, das Leben zieht eintönig und ohne Abwechslung vorüber. Alles bleibt im gewohnten Trott, große Ereignisse und Umbrüche sind schon beinahe Schatten der Vergangenheit. Sie finden, es sollte echt mal wieder etwas passieren? Etwas, das uns ordentlich aus den gewohnten Bahnen reißt? Dann haben wir eine grandiose Nachricht für Sie: 2022 können Sie sich endlich wieder auf etwas Neues vorbereiten. Denn das Marketing-Tracking, wie wir es gewohnt sind, wird abgeschafft.
Was ist Tracking im Marketing?
Einfach erklärt, handelt es sich beim Marketing-Tracking um das Verfolgen wichtiger Handlungen von Nutzern. Sie können mit Tracking-Tools etwa nachverfolgen, wenn User Ihre Webseite besuchen, wie lange sie sich dort aufhalten und was sie klicken. Mit einem Tracking-Pixel erkennen Sie auch, von welcher Quelle User stammen – etwa mithilfe des Conversion-Pixel von Facebook, das Besucher registriert, die über Facebook-Werbung auf Ihre Seite kommen.
Tracking erfolgt auch über Tracking-Cookies, sogenannte Drittanbieter-/Third-Party-Cookies. Diese registrieren Interessen und Klicks von Usern, um ihnen etwa personalisierte Werbung anzuzeigen. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer – denn immer mehr Menschen lehnen dieses Tracking ab.
Meine Daten gehören mir!
Die ePrivacy-Verordnung brachte es ins Rollen, das neue TTDSG zementiert den Trend: Third-Party-Cookies dürfen erst dann arbeiten, wenn Webseiten-Besucher ihnen aktiv und informiert zustimmen. Das allseits bekannte Häkchen setzen im Cookie-Banner dürfte zwar den meisten User zu den Ohren raushängen, erfüllt aber einen wesentlichen Zweck: Es schützt Userdaten. Und folgt damit dem wachsenden Bedürfnis nach mehr Datenschutz im Internet. Immer weniger Menschen wollen, dass unzählige Informationen über sie gesammelt, zu Nutzerprofilen zusammengeführt oder weiterverkauft werden.
Einige Browser wie Firefox haben darauf schon längst reagiert und unterbinden standardmäßig Webseiten-Tracking:

Selbst wenn User bei der Cookie-Frage aus Bequemlichkeit auf „Allen zustimmen“ klicken, blockieren viele Browser also das Tracking Dritter. Mit besonders strengen Einstellungen können Nutzer zudem das First-Party-Tracking unterbinden – das betrifft jene Cookies, die Ihre Webseite selbst einsetzt.
Google zieht nun nach und will das Drittanbieter-Tracking im hauseigenen Browser Chrome sowie seinen übrigen Produkten bis 2023 vollständig abschaffen. Apple hat die Zeichen der Zeit ebenfalls erkannt und ermöglicht es Usern seit iOS 14.5, Drittanbieter-Cookies in allen Apps auf dem jeweiligen Gerät zu widersprechen. Nur ein Bruchteil der Nutzer stimmt den Cookies noch zu.
Dass das auch Folgen fürs eher harmlose Marketing-Tracking hat, mit dem etwa mittelständische Unternehmen einfach nur ihre Zielgruppe abschätzen wollen, ist glasklar.
Neue Maßnahmen im Marketing-Tracking stellen B2B-Unternehmen vor Herausforderungen
Apples neue Richtlinie wird es Kleinunternehmen viel schwerer machen, ihre Zielgruppe zu erreichen. Sie wird ihr Wachstum bremsen und großen Unternehmen einen unfairen Vorteil verschaffen. Von uns durchgeführte Studien stellten fest, dass Kleinunternehmen, die Anzeigen für mehr Website-Verkäufe schalten, durchschnittlich mehr als 60 % ihres werbegetriebenen Umsatzes einbüßen, wenn sie ihre eigenen Daten nicht nutzen können, um Kunden auf Facebook zu finden.
Meta fasst in diesem Statement zu Apples Richtlinienänderungen das Dilemma für KMU gut zusammen. Denn weniger Tracking bietet zwar einerseits mehr Privatsphäre und Sicherheit – schließlich gaben 79 % der Befragten einer Pew Research-Studie an, sie seien besorgt über die Nutzung ihrer Daten durch Unternehmen. Andererseits verhindern die neuen Maßnahmen auch, dass Unternehmen einfach nur den Erfolg ihrer Marketing-Maßnahmen nachverfolgen können. Wie viele Menschen, die meine Facebook-Anzeige gesehen haben, haben sich anschließend den Leadmagnet heruntergeladen? Solch eine simple Frage dürfte nun schwer zu beantworten sein. Auch wird es komplizierter, Zielgruppen nach Interessen zu filtern, um Werbeanzeigen gezielt auszuspielen. Der Streuverlust dürfte mit den neuen Maßnahmen im Marketing-Tracking steigen.
Aber sind die Zeiten für Online-Marketer wirklich so apokalyptisch, wie es aktuell scheint? Nein, mit Sicherheit nicht. Unternehmen sollten es sich ab 2022 jedoch zum Ziel setzen, User datenschutzkonformer zu tracken und auf Alternativen umzusteigen.
Neue Chancen im Marketing-Tracking 2022 – diese Alternativen sollten Sie kennen
Marketing-Tracking via FLoC
Die erste Marketing-Tracking-Alternative stammt von Google selbst und macht seit Anfang 2021 unter dem Namen FLoC (Federated Learning of Cohorts) die Runde. Einzelnen Nutzern werden nun nicht mehr Cookies zugeordnet – vielmehr werden Nutzer verschiedenster demographischer Gruppen nach Interessen sortiert, in sogenannte „Kohorten“. Seit 2021 wird FLoC im Chrome-Browser getestet und soll ab 2023 das Cookie-Tracking ablösen. Bis zu 95 % der Effektivität von cookiebasierten Ads verspricht Google – und bemerkt optimistisch:
Dies weist auf eine Zukunft hin, in der relevante Werbung und Monetarisierung nicht zugunsten eines privaten und sicheren Surfens im Internet geopfert werden müssen.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum ein Unternehmen wie Google bzw. Alphabet, das von Daten lebt, nun plötzlich aus reiner Nächstenliebe auf diese verzichten sollte. Und damit sind Sie nicht allein. Mozilla, das stark um Datenschutz und Privatsphäre im Netz bemüht ist, hat FLoC direkt einmal genauer unter die Lupe genommen – und attestiert gleich mehrere signifikante Risiken für die Nutzer.
Auch das Tracking-Tool Fathom, eine datenschutzfreundliche Alternative zu Google Analytics, steht FLoC in seiner jetzigen Form kritisch gegenüber. Einen ausführlichen Beitrag zu den Risiken von FLoC beendet das Unternehmen mit den Worten:
With FLoC, Google hasn’t changed tracking and targeted ads for the better; they’ve just made them different and harder to avoid.
For decades Google and similar companies used cookies to generate multi-billions of dollars off our personal data. Then we collectively wised up. While FLoC may be one of their most ambitious projects, it also has the potential to be the most harmful too (turned on by default in the world’s most popular browser).
Wann FLoC in Europa eingeführt werden, bleibt jedoch erst einmal abzuwarten. Noch scheitert die Tracking-Alternative nämlich an der DSGVO, da Nutzer beispielsweise der Einordnung in Kohorten nicht zustimmen oder widersprechen können.
Kontextuelles Targeting
Kontextuelles Targeting ist an sich kein neues Wundermittel, dürfte aber für die Zukunft des Marketing-Trackings enorm an Bedeutung gewinnen. Bei dieser Form des Targetings werden Werbeanzeigen im Kontext von Content eingeblendet. Heißt: Sie veröffentlichen etwa einen Blogbeitrag über die 10 Top-Frühlingswanderziele 2022. Beim Abschnitt über die Bayerischen Alpen erscheint der Leserin eine Anzeige für ein Wanderhotel in dieser Region mit der Aufforderung, jetzt für den April zu buchen.
Der Vorteil von kontextuellem Targeting liegt auf der Hand. Einerseits werden keine Nutzerdaten erhoben. Denn Werbung wird nicht nutzerspezifisch ausgeliefert, sondern ausgehend von Keywords und Kontext einer Webseite. Andererseits werden Streuverluste minimiert, auch wenn die Werbung nicht mehr an Personen ausgerichtet wird. Denn eine Person, die sich aktiv einen Artikel zu den Wanderzielen durchliest, hat auch echtes Interesse an einer Reise und dem damit verbundenen Hotelaufenthalt.
Server Side Tracking
Server Side Tracking (Serverseitiges Tracking) hat den entscheidenden Vorteil, dass auf Ihrer Webseite erhobene Nutzerdaten gar nicht erst quer durchs Internet geschickt werden. Sie bleiben – der Name verrät es schon – auf Ihren eigenen Servern und werden dort ausgewertet. Server Side Tracking ist damit gut gerüstet gegen Adblocker und standardmäßige Tracking-Blockaden von Browsern. Sie können Ihre Webseitenbesucher kennenlernen und analysieren, ohne deren Datensicherheit zu gefährden. Voraussetzung: Ihr Server ist ausreichend geschützt. Um diese Form des Marketing-Trackings DSGVO-konform zu nutzen, sollten Sie Nutzer beim Betreten der Webseite außerdem darauf hinweisen.
Data Clean Rooms
Data Clean Rooms klingen zwar nach viel Technik und IT, sind aber eigentlich ein recht simples Prinzip, um die klassische Marketing-Verfolgung zu ersetzen. Amazon, Facebook und Google nutzen das Konzept schon lange, um Werbetreibende auf ihren Plattformen zu unterstützen. Zugegeben: Data Clean Rooms eignen sich wohl eher für größere Unternehmen mit ausreichenden Datensätzen, die sich vor einer Kooperation mit anderen Unternehmen nicht scheuen. Denn genau darum geht es bei Data Clean Rooms.
Unternehmen laden hierbei ihre First-Party-Daten (also diejenigen, die Sie direkt auf der Webseite erheben) in eine Art digitalen Reinraum. Diese Daten können wiederum Partnerunternehmen einsehen und abgleichen, um ihre Zielgruppe besser einzuschätzen. Unternehmer behalten dabei immer das Recht an ihren „eigenen“ Datensets, zudem werden auch keine persönlichen Daten der betroffenen User weitergegeben.
Eigenmarketing (cross-channel) stärken
Eine dritte Alternative besteht darin, die eigene Präsenz im Netz zu stärken und potenzielle User so auch ohne Werbemaßnahmen und das damit verbundene Marketing-Tracking zu erreichen.
- Suchmaschinenoptimierung: Guter Content – das ist immer noch extrem wichtig und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Suchmaschinenoptimierte, nutzerfreundliche Webseiten mit wertvollem Inhalt punkten bei Suchmaschinen und erscheinen auf den ersten Plätzen der Suchergebnisse. Der Vorteil: Werbung (sofern sie nicht sowieso schon durch Browser-Add-ons blockiert wird) blenden viele Menschen einfach nur noch aus. Gute Inhalte, die Fragen beantworten und Lösungen liefern, klicken Menschen hingegen noch immer gerne an.
- Social Media: Auch das ist ein alter Hut. Unternehmen sollten spätestens jetzt damit beginnen, ihre Social-Media-Strategie ernsthaft auszubauen und sich so ins Blickfeld ihrer Wunschkunden zu rücken. Die richtigen Hashtags und Keywords sowie wertvolle Inhalte tragen dazu bei, dass Ihre Zielgruppe Sie auch auf LinkedIn, Instagram und Co. wahrnimmt.
- Sinnvolles Mailing: Warum nur Rabatt-Mails und Firmen-Updates versenden, wenn Sie E-Mail-Adressen auch zur Kundenentwicklung nutzen könnten? Entwickeln Sie Funnel, die sich an der Customer Journey orientieren und entwickeln Sie Interessenten so Schritt für Schritt in zahlenden Kundinnen und Kunden. Dazu braucht es weder Werbebudget noch Tracking – lediglich ein gutes Verständnis der Situation Ihrer Wunschkunden und guten Mail-Content
Fazit: Wie es 2022 weitergeht, ist noch ungewiss
Es ist bisher nicht ganz klar, wie Marketing-Tracking zukünftig ohne Drittanbieter-Cookies auskommen soll. Fest steht jedoch: Jetzt ist wieder einer dieser Zeitpunkte, an dem sich innovatives, zukunftsgerichtetes Handeln auszahlt. Wer sich schon jetzt Gedanken um „cookielose“ Möglichkeiten macht und das ein oder anderer Experiment wagt, gewinnt. Verlieren werden die Unternehmen, die zögernd abwarten – und beim endgültigen Abschied von Drittanbieter-Tracking mit leeren Händen dastehen.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen und Chancen beim Tracking der Zukunft? Wir freuen uns über Ihren Kommentar unter diesem Beitrag!
Ist echt gut, dass endlich was dagegen unternommen wird, ständig alle Daten der Nutzer zu sammeln. Ich habe in einem spannenden Beitrag gelesen, dass die Unternehmen ihre Banner dann so manipulativ designen, dass die Nutzer ihrem Wunsch wiedersprechend auf die „Zustimmung“ klicken, weil der Banner so verleitend designed ist. Ich hoffe dafür wird mal ein Standard gesetzt, damit das nicht mehr geht. Ich verwende für meinen Shop ein Plugin (https://www.consentmanager.de/cookie-banner-plugin/shopify/) das eindeutig und klar ist und gleichzeitig sammel ich keine Daten, wenn es nicht unbedingt für eine bestimmte Funktion nötig ist! Das sollte der Normalfall werden…
Danke für deinen Kommentar!
Tatsächlich ist es spätestens seit der Einführung des TTDSG im Dezember 2021 Pflicht, dass User jedem einzelnen nicht-erforderlichen Cookie/Tracking-Tool aktiv und ausdrücklich zustimmen müssen. Aber auch davor haben das diverse Gesetze und Urteile schon genau so geregelt. Einigen Unternehmen scheint das jedoch egal zu sein (weil sich vielleicht auch niemand darüber beschwert) oder sie wissen es einfach nicht besser. Und vielen Usern ist nicht klar, dass manche „Einwilligungsoptionen“ so gar nicht rechtens sind.
Wir nutzen für unsere Webseite das Consent-Banner von Barth Datenschutz, damit Besucher die Cookies klar und verständlich verwalten können.
Vielen Dank für diesen Artikel! Endlich eine verständliche Zusammenfassung des Themas, zu deren Lektüre man sich nicht den halben Tag frei nehmen muss.
Und nebenbei auch vielen Dank fürs Nicht-Gendern. Schön zu sehen, dass auch Frauen gerne mal darauf verzichten und dadurch Beiträge lesbarer halten. 🙂