Wenn wir investieren, wollen wir die Ergebnisse prüfen können. Also müssen wir zunächst unser Marketing messbar machen. Ein wichtiges Thema, dem sich Marketingverantwortliche widmen müssen, um gute Entscheidungen treffen zu können.

In diesem Beitrag schauen wir uns zwei Aspekte an, die es schwierig machen, direkte Auswirkungen von Marketingaktivitäten zu messen: Die Multikausalität und den sogenannten Cargo Cult.

Doch fangen wir bei den Basics der empirischen Analysen an:

Kausalität und Korrelation

Falls Sie den genauen Unterschied zwischen Kausalität und Korrelation bereits kennen, will ich Sie nicht mit wissenschaftlichen Erklärungen langweilen – überspringen Sie diesen Abschnitt dann einfach. In Bezug auf Marketing und die Messbarkeit von Content Marketing ist es jedoch außerordentlich wichtig, die Unterschiede zu klären.

Kausalität

Kausalität beschreibt einen Zusammenhang aus Ursache und Wirkung.

Wenn –> Dann.

Weil etwas passiert ist, erfolgt aus diesem Beweggrund eine andere Aktivität. Also etwas im Sinne von: Weil ich auf den Knopf gedrückt habe, geht die Kaffeemaschine an.

Korrelation

Korrelation bezeichnet den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Effekten, die gemeinsam auftreten, ohne dass das eine das andere bewirkt. Wenn beispielsweise Regen vorhergesagt wird, nehmen die Menschen vermehrt Regenschirme mit zur Arbeit. Es wäre jedoch ein falscher Schluss, anzunehmen, dass die Regenwahrscheinlichkeit steigt, weil viele Menschen mit Regenschirmen auf der Straße sind. Es ist sicher so, dass bei hoher Regenwahrscheinlichkeit auch die Anzahl der getragenen Schirme auf offener Straße hoch ist, jedoch gibt es zwischen der Anzahl der Schirme und der Regenwahrscheinlichkeit keinen kausalen Zusammenhang.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung

Eine Anekdote verdeutlicht, wie sich die falsche Verwendung von Kausalität und Korrelation auch äußern kann: Diese kleine Geschichte findet im Amerika des letzten Jahrhunderts statt. In einem Volk nordamerikanischer Ureinwohner sagt der weise Medizinmann zu den jungen Männern: „Geht in den Wald und schlagt so viel Holz wie ihr könnt, denn es wird ein sehr harter Winter!“ Die Männer ziehen los und schlagen Holz. Am nächsten Tag fordert der Medizinmann die Männer wieder auf, Holz im Wald zu schlagen, denn es soll wirklich ein sehr harter Winter werden. Von Tag zu Tag wiederholt sich dieser Vorgang über viele Wochen.

Schließlich ist der Medizinmann unsicher, ob es nun wirklich so schlimm wird mit dem Winter. Er entschließt sich die US-amerikanische Wettervorhersage anzurufen, um sich abzusichern. Am Telefon spricht er mit einem Meteorologen der amerikanischen Wetterbehörde. Er fragt ihn, was über die Härte des bevorstehenden Winters bekannt ist. Der Forscher antwortet: „Das wird der härteste Winter seit Aufzeichnung der Wetterdaten.“ Als der Medizinmann fragt, woran man das erkennen könne, sagt der Forscher: „Wir haben keine besonderen Messdaten, aber die Ureinwohner sammeln Holz wie die Verrückten.“

Messbarkeit im Marketing kritisch prüfen

Weil es für die Darstellung und Berechnung angenehm ist, versuchen wir in vielen Fällen eine Kausalität herzustellen, wo in Wirklichkeit keine einfache Abfolge von Ursache und Wirkung besteht. Wir versuchen, einzelnen Aktivitäten bestimmte Ergebnisse zuzuordnen, obwohl dies möglicherweise gar nicht der Wahrheit entspricht.

Oft kann man Ursache und Wirkung einfach nicht linear zuordnen. Und das kann zwei Gründe haben:

  1. Multikausale Effekte
  2. Cargo Cult

Beide Gründe sind wichtig zu verstehen, damit Sie als Verantwortlicher nicht in die gleiche Falle tappen, wenn Sie Ihr Marketing messbar machen wollen. Hier die Erklärung:

Multikausalität – warum viele Impulse unser Handeln steuern

Wenn wir als Kunde eine Kauf- oder Investitionsentscheidung treffen, sind dieser Entscheidung vermutlich mehrere Impulse vorangegangen. Vielleicht haben Sie schon einmal davon gehört, dass man sieben Impulse braucht um eine Entscheidung zu treffen. Ich empfehle, die Zahl „7“ in dieser Aussage als Symbol zu sehen. Denn sicherlich hat noch niemand eine wissenschaftlich fundierte Studie vorgelegt, dass es wirklich sieben und nicht sechs, fünf oder neun Impulse sein müssen, die eine Entscheidung bewirken. Um zu verdeutlichen, was ich meine, nehmen wir diese kleine Geschichte als Ausgangspunkt:

Beispiel: So wird es schwierig, Marketing messbar zu machen

Stellen Sie sich vor, Ihre Kinder sind in dem Alter, in dem man sich Gedanken zur Finanzierung ihrer universitären Ausbildung macht. Sie haben schon öfter mal davon gehört, dass es so etwas wie eine Ausbildungsversicherung gibt, die auch bei finanziellen Engpässen oder Tod der Eltern die Finanzierung des Studiums sicherstellt. So eine Absicherung scheint Ihnen sinnvoll, aber Sie haben sich noch nicht intensiv damit beschäftigt.

Bei einer geschäftlichen Veranstaltung treffen Sie beim Gespräch am Buffet mit einem Menschen zusammen, der sich mit Versicherungen auskennt. Sie kommen ins Gespräch über Ihre Kinder und das Thema Ausbildungsversicherung. Wie sich herausstellt, ist dieser Mensch, nennen wir ihn Paul, ein Experte für solche und kann Ihnen diesbezüglich auch ein Angebot machen. Sie unterhalten sich nett und tauschen Visitenkarten. Kurz darauf haben Sie dieses Gespräch wieder vergessen und seine Visitenkarte verlegt.

Einige Tage später fahren Sie wie gewohnt mit dem Auto ins Büro. An einer Ampel halten Sie hinter einem Bus der städtischen Verkehrsbetriebe. Am Heck des Busses befindet sich eine große Werbefläche, von der Ihnen Paul entgegen lacht. Sie erinnern sich kurz daran, dass Sie ihm noch einige Daten zusenden wollten, damit er ein Angebot macht. Doch als Sie weiterfahren ist der Gedanke schon wieder verflogen.

Etwas später nehmen Sie unterbewusst ein anderes Plakat wahr, von dem Paul lächelt, als Sie in die Tiefgarage zu Ihrem Büro einbiegen. Sie gehen noch um die Ecke in den Coffeeshop, um sich wie gewohnt einen großen Cappuccino im Pappbecher zu holen. Paul hat offenbar vorausgedacht und die Werbefläche auf den Pappbechern gekauft. Sie werden erneut daran erinnert, mit ihm Kontakt aufzunehmen, dann aber wieder abgelenkt, weil Ihr Telefon klingelt.

Als Sie schließlich im Büro angekommen sind, liegt an Ihrem Arbeitsplatz oben auf dem Stapel der Eingangspost eine Fachzeitschrift. Auf der Rückseite der Zeitschrift fällt Ihnen eine Werbung ins Auge, wo wieder Paul zu sehen ist. Sie stellen Ihren Cappuccino zur Seite, greifen zum Telefon und rufen Paul an.

Diese Geschichte zeigt, dass viele vermeintlich zufällige Ereignisse, die Sie immer wieder an Paul erinnern, nötig waren um eine Handlung zu bewirken. Sie soll erklären, dass manchmal eine gewisse Anzahl von Impulsen nötig ist, um eine Handlungsentscheidung zu treffen. Gleichzeitig soll sie ein Symbol sein, für das, was in der analogen Welt wirklich Zufall wäre – was sich durch Retargeting in der digitalen Welt jedoch als durchdachte Werbestrategie nutzen lässt.

Multikausalität erschwert Marketing-Attribution

Zurück zur Messbarkeit: Wenn wir akzeptieren, dass es bisweilen mehrere Impulse benötigt, um eine Entscheidung zu treffen, wie wollen wir dann die Kausalität darstellen? War die Anzeigenwerbung bei der Einfahrt in die Tiefgarage nötig? Hat sich die Anzeige auf dem Pappbecher gelohnt, oder hätten Sie auch so die Entscheidung getroffen? Diese Fragen sind nicht abschließend zu beantworten. Und genau darin liegt die Schwierigkeit bei der Messbarkeit von Marketing: Sie wird durch Multikausalität erschwert.

Der Controller in Ihnen hätte gerne eine klare Zuordnung von Kosten und Effekt. Allerdings scheint dieser Wunsch nach Berechenbarkeit kaum erfüllbar. Sehen wir uns noch einen weiteren Grund an, warum der Wunsch nach Darstellbarkeit und Berechenbarkeit bisweilen nicht erfüllt wird.

Cargo Cult: Warum irrelevante Heilslehren uns verführen

Nehmen wir an, jemand sagt Ihnen, dass eine Werbung auf einem Pappbecher im Coffeeshop der Grund für seinen außergewöhnlichen Erfolg war. Vielleicht kann er die genauen Zusammenhänge sogar noch ein wenig genauer erläutern, aber er ist fest davon überzeugt, dass die „Pappbecher-Strategie“ letztlich verantwortlich für seinen Erfolg ist. Sie denken deshalb vielleicht, dass auch Sie die Pappbecher-Strategie umsetzen sollten, um ähnliche Erfolge zu erzielen.

Vielleicht sind Sie gerade einem sogenannten „Cargo Cult“ aufgesessen. Der Begriff wurde von dem Nobelpreisträger Richard Feynman als Beispiel für schlechte wissenschaftliche Erklärungen geprägt. Der Ursprung des Begriffes kommt aus der Ethnologie.

Zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs unterhielt das US-Amerikanische Militär mehrere Logistikstützpunkte auf kleineren Inseln im Pazifik. Das Militär baute nach seiner Ankunft auf diesen Inseln mehrere Landebahnen für Frachtflugzeuge, errichtete Tower und Beleuchtungen für die Landebahnen. Frachtflugzeuge landeten und die Fracht wurde ausgeladen. Während der Zeit des Weltkrieges konnten die Bewohner dieser Pazifik-Inseln von den Versorgungslieferungen profitieren. Kleidung, Nahrung und andere Güter der westlichen Welt wurden an die dort lebenden Ureinwohner verteilt. Diese hatten bislang eine einfache religiöse Kultur mit Ahnenverehrung. Sie erklärten sich den Segen der Cargo-Lieferungen so, dass ihre Ahnen ihnen diese Flugzeuge sendeten, weil sie ihre Gebete erhört hatten. Eine andere Erklärung schien unvorstellbar.

Als der Krieg beendet war, zogen die Militärs ab. Die zurückgebliebenen Einheimischen wollten sich mit dem Ausbleiben der Cargo-Lieferungen nicht abfinden. Deshalb bauten sie ebenfalls Landebahnen, primitive Tower aus Holz und beleuchteten ihre Bahnen mit Fackeln. Darüber hinaus bauten sie Kopfhörer aus Holz und Flugzeugattrappen aus Gras und Holz, um die Ahnen um weitere Flugzeuglandungen zu bitten.

Diese niedlich anmutenden Rituale halten bis heute an, führen jedoch selbstverständlich nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Gleichzeitig sind sie ein Abbild typischer menschlicher Verhaltensweisen. Wir tendieren dazu, die äußeren Effekte zu kopieren, wenn wir die inneren Zusammenhänge nicht verstehen.

In Bezug auf die Pappbecher-Werbung heißt das, dass viele andere von der Erfolgsgeschichte des einen Menschen beeinflusst werden, um dann auch Pappbecher-Werbung zu schalten – ohne wirklich zu verstehen welchen genauen Effekt diese Werbung auf den späteren Kaufentscheid hat.

Abschied von der Kausalität

Zumindest in Bezug auf einzelne Maßnahmen und die daraus entstehenden Effekte können wir uns von der Kausalität verabschieden. Es ist nämlich im ersten Schritt nicht besonders wichtig, welcher der Impulse in welchem Maß für den späteren Erfolg verantwortlich war. Wichtig ist nur, dass die Summe der Effekte zu dem gewünschten Erfolg führt.

Erst im zweiten Schritt könnte relevant sein, die teuersten Maßnahmen zu reduzieren und zu prüfen ob der gewünschte Effekt dennoch erhalten bleibt. Erst im zweiten Schritt kann man also durch Optimierungsmaßnahmen den Aufwand für den angestrebten Effekt reduzieren.

Im modernen Marketing werden wir mehr und mehr auf Vergleichstests mit realen Marktsituationen setzen. Die Antworten, die uns diese Tests liefern, sind zumeist wertvoller als theoretisch ermittelte Strategien und durch Marktbefragungen hergestellte Entscheidungsgrundlagen.

Marketing messbar machen mit einer Kohortenanalyse

Durch dieses Verfahren, das ursprünglich in der Bevölkerungsstatistik verwendet wurde, kann man trotz der zuvor beschriebenen Herausforderungen das Marketing messbar machen. So könnte man beispielsweise durch einen Split Test ermitteln, welche von zwei Varianten einer Maßnahme in einer Fülle von Maßnahmen am Ende einen besseren Effekt erzielt. Dazu teilt man die Gesamtheit der Zielpersonen in zwei oder mehr Kohorten auf: Solche an denen die Variante A ausprobiert wurde und andere, an denen die Variante B getestet wurde.

Im Pappbecher-Beispiel von weiter oben könnte das bedeuten, dass der Anbieter für Ausbildungsversicherungen nur der Hälfte der Kaffeebesucher eine Werbung auf dem Pappbecher ausliefert. Die andere Hälfte bekommt stattdessen einen Impuls auf einem anderen Weg – Beispielsweise der Papierserviette. Oder er könnte die Wirkung der Werbung auf dem Pappbecher testen: Der einen Hälfte der Besucher würde Werbetext A ausgeliefert, der anderen Hälfte der Werbetext B. Nach einer gewissen Zeit ließe sich dann am Ergebnis feststellen, welcher der beiden Werbetexte letztlich zu einem besseren Ergebnis führte.

Rückschlüsse auf Ihr Content Marketing

Die Messbarkeit von Content-Marketing kann vermutlich aufgrund der beschriebenen Effekte nicht in einer direkten linearen Kausalität erfolgen. Denn wer will abschließend beweisen, ob Blogartikel, Social Media Posts, Podcast Folgen oder Videos auf YouTube letztlich den Interessenten dazu brachten, mit Ihnen in Kontakt zu treten. Selbst wenn die Reaktion selbst messbar wird, weil sie nachweisen können, welcher Blogartikel die meisten Reaktionen hervorruft – selbst dann können Sie nicht wissen ob nicht nur durch einen vorangegangenen Podcast bzw. Videoaufruf die Entscheidung maßgeblich begünstigt wurde.

Marketing messbar machen – eine Illusion

Wie schon Henry Ford vor vielen Jahren angeblich sagte: Die Hälfte der Werbemaßnahmen ist nicht wirksam – man weiß nur nicht welche. Um relevante Entscheidungen im Content Marketing zu treffen, werden wir auf Tests und Vergleiche von Kohorten zurückgreifen müssen. Nur so können wir Marketing messbar machen. Da dieses Verfahren jedoch sehr aufwendig ist, wird es in der Praxis vermutlich nur dann umgesetzt, wenn außerordentlich große Investitionssummen in bestimmte Marketingmaßnahmen investiert werden.

In den meisten Fällen ist das Herbeiführen der Messbarkeit teurer als die Maßnahme selbst. Für die meisten Unternehmen gilt daher vermutlich die Maxime: Setzen Sie sich ein Budget und testen Sie verschiedene Maßnahmen. Wenn Sie eine erfolgversprechende Kombination aus Maßnahmen gefunden haben, dann optimieren Sie diese vorsichtig weiter.

Auch wenn das für viele rational gesteuerte Menschen nach Stümperei klingt, ist dieser stete Kreislauf aus Versuch und Ergebnis vermutlich die beste Möglichkeit, um Content Marketing messbar zu machen.

 

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