Niemand mag Menschen, die einen ausnutzen. Vermutlich ist das der Grund, warum Verkäufer so schlecht angesehen sind. Die meisten Geschäftsleute, die ich kenne, möchten nicht „Verkäufer“ auf ihrer Visitenkarte stehen haben (obwohl sie streng genommen genau das sind). Alle wollen, dass der Kunde kauft, aber niemand will selbst ein Verkäufer sein. Oder zumindest will niemand mit den unangenehmen Seiten des Verkaufens in Verbindung gebracht werden. „Denen kann man nicht vertrauen!“… „Die sind nur an ihren eigenen Zielen interessiert“ … „Verkäufer sind Manipulateure, die sich nicht für das Wohl des Kunden interessieren“… Wir alle kennen diese Sätze. In diesem Artikel erfahren Sie deshalb, wie Sie Ihre Verkaufsstrategie so aufbauen, dass es langfristig klappt.
Die meisten althergebrachten Verkaufs- und Marketingstrategien sind sehr einfach strukturiert. Vergleichsweise so, als ob Sie bei einem Flirt im zweiten oder dritten Satz „Geschlechtverkehr gefällig?“ sagen würden. Selbst wenn dem Angebot ein Dialog vorangeht, kommt es häufig zu früh und platt daher. Der Anbieter ist nicht wirklich daran interessiert, seinen Kunden kennenzulernen und zu verstehen, was dieser will, sondern nur daran, sein Angebot zu machen und möglichst schnell abzuschließen.
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Erst geben, dann geben, später noch mehr geben und erst dann nehmen.
Was passiert, wenn Sie mich so richtig erfreuen? Wie reagiere ich, wenn Sie mir eine besondere Aufmerksamkeit zuteil kommen lassen? Ungefähr so wie Sie reagieren würden, wenn Ihnen jemand zum Geburtstag gratuliert, über dessen Geburtstag Sie sich noch nie Gedanken gemacht haben.
Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Sie gehören zu den Psychopathen. Dann ist es Ihnen egal, wenn Sie eine emotionale Schuld eingehen.
2. Sie verspüren eine gewisse Verpflichtung, die vorangegangene Zuwendung wieder auszugleichen. Sie wollen das Gleichgewicht wieder herstellen.
Diesen Reflex nennt man „Reziprozität“. Die große Mehrzahl der Menschen will ihre Schulden ausgleichen. Wenn Sie zu meinem Geburtstag an mich denken und mir eine Karte schreiben (eine richtige Karte – kein Katzenbild auf Facebook), dann nehme ich mir vor, das zurückzugeben. Wer gibt, löst dadurch ganz oft beim Begünstigten den Impuls aus, sich zu revanchieren. Das ist einer der Gründe, warum Zuwendungen an Beamte illegal sind. Man nennt das Bestechung, weil jemand, der viel bekommen hat, eine Gegenleistung erbringen könnte, obwohl er neutral und unbeeinflusst sein sollte.
Der amerikanische Psychologe Roberto Chialdini hat sich mehrfach mit den Methoden zu Manipulation und Beeinflussung auseinandergesetzt und mehre Bücher dazu verfasst, eines davon ist „Die Psychologie des Überzeugens“.
Hilfsbereitschaft ist legale Bestechung
Dieser Impuls ist etwas, das Sie nutzen können, indem Sie zunächst geben, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten. Wenn Sie offensichtlich nur geben, um sofort entlohnt zu werden, wird das durchschaubar und funktioniert nicht. Aber wenn Sie mehrfach geben, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten, lösen Sie dadurch eine starke Verpflichtung aus. Wie können Sie legal Wissen, Tipps, Hinweise und wertvolle Informationen ohne Gegenleistung anbieten und dadurch Ihre Geschäftschancen verbessern? Wie können Sie das Prinzip „Geben, geben, geben und erst dann nehmen“ in die Tat umsetzen?
Wir haben schon mehrfach behandelt, wie wichtig es ist, die richtige Zielgruppe im Blick zu haben, ihre Probleme zu verstehen und wirksame Lösungen für diese Probleme anzubieten. Durch dieses Angebot an Lösungen werden Sie Ihrer Zielgruppe bekannt. Weil Sie mehr und mehr wertvolle Inhalte liefern, fängt Ihre Zielperson an, sie zu mögen und schließlich, weil die angebotenen Lösungen tatsächlich hilfreich sind und regelmäßig mehr davon kommen, beginnt sie, Ihnen zu vertrauen.
Wer vertraut schon wildfremden Menschen?
Wenn ich diese Entwicklung vom Kennen über das Mögen zum Vertrauen zum ersten Mal mit Menschen bespreche, die das Prinzip nicht kennen, sind sie zunächst skeptisch. Man sieht ihnen förmlich an, dass sie denken: „So einfach bekommt man mich nicht herum! Ich vertraue so schnell niemandem!“ Aber stimmt das? Denken Sie bitte an die Tagesschau oder eine andere tägliche Nachrichtensendung im Fernsehen oder im Radio. Angenommen, Sie sind ein regelmäßiger Zuschauer der Tagesschau. Die Sprecher sind Ihnen inzwischen vertraut. Obwohl Sie diese nie getroffen haben, entwickeln Sie doch ein Gefühl, als ob sie die Personen kennen würden. Im Laufe der Zeit werden Sie sich an die Stimmen gewöhnen und vielleicht beginnen Sie sogar, die Menschen auf Ihrem Fernsehbildschirm zu mögen. Nach kurzer Zeit werden Sie dann Vertrauen entwickeln und alles, was der Sprecher als Nachricht verliest, als Tatsache hinnehmen.
Einen ganz ähnlichen Effekt habe ich im Zusammenhang mit meinem Podcast kennengelernt. Seit Januar 2014 veröffentliche ich regelmäßig einmal wöchentlich eine neue Folge meines Podcasts. Dieser richtet sich an Menschen, die beruflich an Geschäftskunden verkaufen. Jeden Montag ab 7 Uhr morgens können Sie eine neue Folge erwarten. Monatlich werden mehr als 25.000 Folgen gehört. Anders als Radio ist der Podcast ja nicht nur montags um 7 Uhr verfügbar. Jede Folge ist verfügbar solange ich das will, und sie kann von meinen Hörern auch später noch gehört werden. Auf diese Weise sind eine ganze Menge Menschen auf meinen Podcast aufmerksam geworden. Sie haben sich angewöhnt, ihn auf längeren Autofahrten oder beim Sport zu hören. Diese Hörer entwickeln das Gefühl, mich zu kennen. Es passiert mir auf Messen oder bei öffentlichen Auftritten inzwischen sehr oft, dass mich wildfremde Menschen ansprechen und sich benehmen, als wären wir gute Bekannte. Die Erklärung dafür ergibt sich dann schnell im Gespräch, wenn mich diese fremden Menschen darüber aufklären, dass sie treue Podcast-Hörer und „Fans“ meiner kostenlosen Beiträge und Tipps für den professionellen Vertrieb an Geschäftskunden sind.
Menschen kaufen von Menschen
Beziehungen kann man nur zwischen Menschen aufbauen. Unternehmen sind im besten Fall nur Symbole für Personen. Apple stand jahrelang für Steve Jobs. Er war das Gesicht des Unternehmens und sicher ein Ausnahmefall für Bekanntheit und Beliebtheit bei den Fans. Sie müssen aber nicht der CEO eines der erfolgreichsten Unternehmen unserer Zeit sein, um zum Gesicht Ihres Unternehmens zu werden.
Es gibt eine Untersuchung, dass Menschen den CEOs fremder Unternehmen ähnlich wenig Vertrauen entgegenbringen wie Verkäufern. Wesentlich bessere Vertrauens-Noten bekommen Fachkräfte, die sich inhaltlich mit den Themen beschäftigen. Die Leute also, die in ihrem Arbeitsalltag fachlich mit den Themen betraut sind, die den Kunden wirklich interessieren. Wie könnten Sie diese Mitarbeiter in Ihre Kampagnen und in Ihr Content-Marketing einbauen?
Warum „Seitenbacher Müsli“ die Kunden nervt und dennoch Erfolg hat
Bestimmt kennen Sie den drängenden Ton des Sprechers in der Radio-Werbung, wenn es um „Seitenbacher Müsli“ geht. Was viele nicht wissen: Der Sprecher ist der CEO des Unternehmens. Was zu Beginn (angeblich) aus Budget-Gründen so gewählt wurde, hat inzwischen Methode. Der schwäbische Dialekt mit der betont auffälligen Stimme, die gar nichts mit den typischen Sprecher-Stimmen zu tun hat, bleibt in Erinnerung. Das ist ein besonderer Effekt, den man selbst ausprobieren kann.
Sprechende Menschen in einem Video oder einem Audio-Beitrag unterstreichen Ihre Botschaft als Unternehmen. Lassen Sie sowohl Mitarbeiter in den Fachbereichen als auch Führungskräfte zu Wort kommen. Wichtig ist, dass es nicht perfekt ist. Der Beitrag sollte natürlich nicht bewusst schlecht gemacht sein, aber es geht auch nicht um perfekte Filmszenen. Ein gutes Licht und vor allem ein guter Ton sind entscheidend. Wenn Menschen sich vor der Kamera äußern, wirkt der Auftritt erst dann glaubhaft, wenn man sieht, dass diese Menschen sich nicht verstellen. Bringen Sie ihre Mitarbeiter vor die Kamera, und Sie werden sehen, dass dieser Schritt Kundenbeziehungen und Vertrauen aufbaut.
Der CEO als Markenbotschafter
Auch wenn die CEOs keine guten Noten bekommen, sollte Sie das nicht davon abhalten, vor die Kamera zu treten. Vor allem dann nicht, wenn Sie vorhaben, statt zu verkaufen eine Botschaft zu vertreten. Die obere Führungsebene ist dafür prädestiniert, sich zu Wort zu melden, den Sinn und das Wozu der Firma zu erklären. Überlassen Sie die Wirkungsweise der Produkte und Dienstleistungen Ihren wichtigsten Mitarbeitern. Der Chef bringt den Sinn, die Spezialisten die konkrete Umsetzung. Zeigen Sie Gesicht und schaffen Sie vertrauensvolle Beziehungen.
Fotoquelle Titelbild: © venimo / Fotolia 2015
Lieber Herr Heinrich, vielen Dank für diesen Artikel. Ich finde Ihren Beitrag sehr interessant und richtig. Interessant, weil Ihr Ansatz definitiv in unsere Zeit passt und richtig, weil ich selbst solche Erfahrungen gemacht habe.
Aus diesen Erfahrungen heraus möchte ich dazu ergänzen, dass es auch wichtig ist, präsent, d. h. am Ball zu bleiben. Sonst gerät das, was man für sein Gegenüber getan hat, schnell in Vergessenheit. Leider ist das, bei der Reizüberflutung unserer Zeit, gar kein Wunder… deshalb lohnt es sich auch, die Akquisition planvoll anzugehen, zu dokumentieren sowie im Nachgang gemeinsame Situationen in Ruhe zu reflektieren und auszuwerten.
Gerne. Diese Art der Vorbereitung von Akquise wird sich durchsetzen, weil es im Moment keinen günstigeren Weg gibt, um „bessere Leads“ zu bekommen.